Ines Gillmeister: “Wir hadern nicht mit unserem Leben, wir nutzen die Zeit, die wir haben”

Wisst ihr, ich habe hier, bei Facebook und auch Instagram schon öfters, auch erst kürzlich, auf die DKMS aufmerksam gemacht. Ich glaube fest daran, dass es wichtig ist, die Menschen zu kennen, die unsere Hilfe benötigen. Auf Ines bin ich über einen Beitrag bei Tollabea gestoßen. Als ich ihre Geschichte laß, wusste ich sofort: Ich möchte gerne mit Ines sprechen, denn Ines’ Mann ist zum zweiten Mal an Krebs erkrankt. Ich hatte so so viele Fragen im Kopf: Wie lebt man, wenn man fürchten muss, dass der eigene Mann vor einem stirbt? Wie steht man am Morgen auf als Mutter, wenn man nur einen einzigen Wunsch hat: noch ein bisschen mehr Zeit mit dem Mann. Noch ein bisschen mehr Nähe, zwischen den Kindern und ihrem Papa? 
Ines hat sich dazu bereit erklärt, dass ich ein Interview führen kann. Ich tat mich schwer bei meinen Fragen. Weil sie sehr persönlich sind. Und dennoch habe ich sie gestellt. Weil ich weiß, dass wir Ines’ Wunsch nach noch ein bisschen Zeit mit ihrem Mann, dem Vater ihrer Kinder, nur dann ermöglichen können, wenn sie uns ihre Geschichte erzählt. Wenn sie uns in ihre Lebensgeschichte mitnimmt, und wenn sie uns zeigt, wie einfach und schnell wir alle helfen können – und wieso überhaupt.
Dieses Interview ist mir nicht leicht gefallen. Und ich weiß nicht ob ich die treffenden Worte gefunden habe. Umso dankbarer bin ich, dass uns Ines einen Einblick in ihr Leben gewährt. Ihre Ängste, ihre Wut. Aber auch in ihre Hoffnung.
Ines ist eine ganz besondere Mama. Eine Wow-Mom, wie ich euch hier auch schon andere vorgestellt habe. Wow, weil sie besonderes leistet und jeden Tag die Kraft aufbringt, den eh schon anstrengenden Alltag mit einer enormen Belastung zu leben. Und weil sie kämpft – für ihre Familie, ihren Mann und die DKMS:

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Ines Gillmeister Interview

MiniMenschlein: Liebe Ines, vor vier Jahren erkrankte dein Mann, du nennst ihn „Held“ auf deinem Blog, an Krebs. Diagnose: Multiples Myelom. Du warst in dieser Zeit gerade schwanger …
Ines Gillmeister: Ich war in der 25. Woche schwanger, als uns die Ärzte die Diagnose mitgeteilt haben. Es war alles so unecht. Mein Mann lag zu diesem Zeitpunkt mit starken Schmerzen in der Klinik und hat das alles noch viel weniger verstanden als ich. Er hat Morphium bekommen, war teilweise so stark verwirrt, dass er nicht wusste wer ich bin, geschweige denn das ich sein Baby in meinem Bauch habe. In der Zeit im Krankenhaus habe ich viel Kraft dafür aufgebracht, ihn zu pflegen. Ich habe ihm beim Essen und der Hygiene geholfen. An das Schwangersein war nicht zu denken. Immer wenn unsere Tochter in der Kita war, war ich beim Helden. Ich selbst habe mich krankschreiben lassen. Dann ab der 30. Woche hatte ich vorzeitige Wehen und sollte im Bett bleiben. Mein Mann wechselte immer zwischen Klinik und Zuhause. Wenn er Zuhause war, war er müde und oft schlecht gelaunt. Unter dieser ganzen Katastrophe sollte meine Tochter so wenig wie möglich leiden. Ich bin weiterhin aufgestanden, habe mit ihr gespielt, für sie gekocht, ihr vorgelesen, wir waren auf dem Spielplatz und haben andere Ausflüge gemacht. Ich hatte keine Zeit für vorzeitige Wehen. Einer von uns Eltern musste gesund für das kleine, liebe 4jährige Mädchen sein. Unsere Tochter hatte nachts Alpträume, sie schrie jede Nacht mehrfach auf. Jeden Morgen, wenn ich an meinem Spiegel vorbeigelaufen bin, habe ich mich erschrocken. Mein Bauch wurde immer größer und ich habe trotzdem fast jeden Tag vergessen, dass ich schwanger bin.
Wie war die Geburt in dieser schweren Zeit? 
Unser Sohn wurde im September 2012 geboren, zwei Tage später musste mein Mann erneut in die Klinik; es ging ihm deutlich schlechter. Die Geburt haben wir im Vorfeld daher via Kaiserschnitt genau geplant. Ich habe mit dem Arzt im Vorgespräch um den Geburtstermin verhandelt, den die Geburt musste irgendwie in den Chemoterminplan passen. Uns war es wichtig, dass mein Mann bei der Geburt dabei sein kann, seinen Sohn vor der Hochdosis-Chemo mit Eigen-Stammzellspende noch kennenlernt. Wir wussten nicht wie lange er im Krankenhaus und im Isolierzimmer bleiben wird.

Allein im Wochenbett

Die Zeit des Wochenbetts ist für viele Familien eine nahe Zeit, in der sie zusammen rückt. Du musstest diese Zeit alleine meistern. Das alles hat dich sicherlich sehr verändert …. 
Vier Tage nach dem Kaiserschnitt wurde ich entlassen. Die Patentante unserer Tochter hat mich abgeholt. Bevor wir nach Hause gefahren sind, haben wir meinen Mann im Krankenhaus  besucht. Auf der onkologischen Isolierstation sind keine Kinder erlaubt. Ich habe unseren Sohn, in Absprache mit einer Krankenschwester für 5 Minuten mit hinein nehmen dürfen. Das war der Moment der Nähe im Wochenbett. Du siehst, wir hatten das auch. Kurz, aber sie war da. Ich bin weiterhin ca. alle zwei Tage in die Klinik gefahren und hatte immer Jemanden dabei, der unseren Sohn während der Stillpausen auf dem Klinikgelände umhergeschoben hat. Ich habe meinem Mann Fotos auf sein Handy geschickt, habe ihn angerufen damit er das Babyschreien hören kann und die Geräusche, die unser Sohn beim Trinken gemacht hat. Die Nähe war immer da, nur anders als in vielen anderen Familien.
Wie ging es dann weiter? 
Ich hatte Glück, das Stillen klappte und meine Narbe heilte gut. Eine Woche nach der Geburt war ich das erste Mal mit beiden Kindern einkaufen und habe es in die dritte Etage getragen; nur gut, dass wir ein Tragetuch hatten.
Aufgrund der Umstände, der verdrängten Schwangerschaft und meiner Hormone habe ich eine hartnäckige Wochenbettdepression entwickelt. Unser Sohn schrie fast durchgängig und ließ sich nur durch das Tragen im Tuch beruhigen. Diese Dinge waren anstrengend und sehr zehrend, aber auch das ging vorbei. Es dauerte zwar etwas, aber es verging.

Sicherlich hat dich das alles sehr verändert … 
Seit dieser Zeit ziehe ich Ruhe dem Treffen mit Freunden vor. Ich bin froh, wenn ich einmal nichts hören muss. Ich verabrede mich noch, aber deutlich weniger als früher. Auch vertraue ich weniger auf Absprachen. Mein Mann mag dieses Thema nicht, aber vor der Geburt habe auch ich viele Unterstützungsangebote für die Zeit mit Baby bekommen. Als es soweit war, richteten sich alle Augen auf meinen Mann. Der Gesundheitszustand meines Mannes ließ keinen Raum für andere Unterstützung. Alle um uns herum waren gelähmt von der Diagnose Krebs. Ich konnte nicht gelähmt sein, es musste weiter gehen. Jetzt ist der Krebs zurück, es kommen erneut Unterstützungsangebote von allen Seiten. Meistens beziehen sich diese auf unseren Helden, manche wollen den Kindern und mir helfen wenn er in die Klinik muss. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Lähmung der Anderen genauso zurückkommen wird, wie die Diagnose Krebs. Ich bin skeptischer geworden, nachdenklich und hinterfrage mehr als zuvor. Aber das ist okay so wie es ist …

Der Rückschlag: Der Krebs kehrt zurück

Du hast es eben schon erwähnt, der Krebs ist zurück, den Mann erneut erkrankt. Was hat die Erkrankung mit euch als Familie gemacht? 
Wir planen weniger und nahezu nichts mehr was, in ferner Zukunft liegt. Wir leben im Jetzt und versuchen nicht zu häufig an Morgen zu denken.  Achtsamkeit ist ein fester Bestandteil, vor allem in meinem Leben geworden. Wir achten mehr auf Kleinigkeiten als zuvor, wir leben bewusster und entschleunigt. Am Wochenende haben wir nicht das Bedürfnis immer tolle Ausflüge machen zu müssen, sondern auf das zu achten, was wir in diesem Moment wirklich brauchen; das kann dann auch mal ein fauler Samstag sein, an dem alles liegen bleibt und wir nicht aus den Pyjamas herauskommen. Wir konzentrieren uns mehr auf das was wir haben, lernen unsere Situation zu schätzen. Denn wir müssen nicht frieren, haben genug zu Essen und zu Viert sind wir auch.
Wir akzeptieren die Diagnose, aber nicht die Prognose. Wir hadern nicht mit unserem Leben, sondern nutzen die Zeit, die wir haben. Aber wir versuchen auch Wege zu finden, uns als Familie behalten zu können, zu viert.
Ein Grund für deinen Blog ist, dass du anderen Angehörigen und Betroffenen zeigen willst, wie es sich als Familie mit der tödlichen Diagnose lebt. Wie hast du deinen Kindern erklärt, dass ihr Papa schwer krank ist? 
Ich habe ihnen bisher noch nicht viel erzählt. Beide wissen, dass das Blut vom Papa sehr krank ist und er nun Medikamente braucht. Diese Medizin macht müde und manchmal auch etwas Rund im Gesicht. Das kennen beide Kinder durch unsere Tochter. Sie bekommt Medikamente gegen ihre Epilepsie, war lange nicht Anfallsfrei und dadurch hochdosiert. Auch sie ist davon am Anfang oft Müde gewesen, hat Wassereinlagerungen im Gesicht gehabt und hatte mit anderen Nebenwirkungen zu kämpfen. Da haben die Zwei diese Aussage nicht weiter hinterfragt.
Auch wissen sie, dass Papa bald für längere Zeit ins Krankenhaus gehen muss, weil die Ärzte besser auf ihn aufpassen können als wir. Mehr wissen die Kinder nicht. Ich denke dass es vorerst ausreicht. Die Haare wird sich mein Mann in ihrem Beisein abrasieren, bevor sie sichtlich ausfallen. Das haben wir vor vier Jahren ähnlich gehalten. Kurz bevor er im März  zur 1.Hochdosischemotherapie mit Isolation gehen wird; werde ich erneut mit den Kindern sprechen. So wenig wie möglich, soviel wie nötig.
Zur Hilfe werde ich mir ein Buch nehmen. Dort geht es nicht um Krebs und Therapien, sondern um „Fleckenfieslinge“ und „Chemozwerge“. Es beschreibt Blutkrebs; kindgerecht und nicht beängstigend.
Eure Kinder wissen also nicht, dass Papa unheilbar krank ist? 
Nein, das wissen Sie nicht. Für unseren Sohn ist das Wort „tot“ und „unheilbar“ gar nicht greifbar. Unsere Tochter ist ein sehr emotionales Kind. Sie würde sich durchgehend Sorgen um den Papa machen und dabei das Kind sein vergessen. Ich möchte nicht, dass die Zwei  in 15 Jahren an ihre Kindheit in Angst und Sorge zurückdenken müssen. Sie sollen sich an die schönen Dinge mit Papa erinnern, nicht an den Krebs. Wir haben nicht so viel Zeit wie manch andere Familien, umso wichtiger ist die Unbeschwertheit der Kinder. Die Furcht vor dem was kommen mag, sollte nicht im Vordergrund stehen. Auch wenn unsere Zwei eine schwierige Ausgangssituation haben, sollen sie ihre Kindheit leben und genießen können; solange wie es uns das Schicksal möglich macht.

Krebs: Auch für Angehörige eine enorme Belastung

Deinen Beitrag „Me, Myself & I“ habe ich regelrecht verschlungen. Du schreibst sehr nachvollziehbar und man möchte dich einfach nur in den Arm nehmen. Du schreibst darin, dass du selbst mit deinen besten Schuhen nicht rennen kannst, um das alles hinter dir zu lassen. Dass jeder ein Päckchen zu tragen hat, und dass ihr als Familie das Päckchen, die Erkrankung deines Partners mit tragt, damit seines leichter wird. Dieses Bild hat mich sehr bewegt. Und doch kann man vermutlich nicht erahnen, wie immens die Belastung, wie stark die Verzweiflung in dir ist. Wie tankst du Kraft? 
In dem ich arbeiten gehe. Dort kennt kaum jemand unsere Geschichte, es ist eine Krebsfreie Zone in der es noch andere Gesprächsthemen gibt.
Auch der Blog hilft mir. Wenn ich schreibe, höre ich laut Musik und versuche, so wenig zu denken wie möglich. Kraft tanke ich vor Allem durch das Gefühl etwas unternehmen zu können und nicht nur tatenlos zuzusehen. Mein Blog gibt mit die Plattform dazu. Auch helfen mir unsere Hunde und die Natur, in der ich mich mit Ihnen bewege. Hier ist es leise, das Licht nicht grell und niemand möchte etwas. Ich kann atmen, denke nicht an Morgen und konzentriere mich auf mich selbst.
Nähen hilft mir auch. Ich bin beschäftigt, konzentriere mich auf diese Tätigkeit und kann abschalten. Das ist enormer Luxus für mich.
Ich habe wieder Kontakt zu einer alten Freundin, nur telefonisch bzw. via Nachrichtenverkehr aber es hilft. Es ist so, als wäre Sie nie weg gewesen. Wir reden über belangloses und auch über den Krebs. Das ist wie ein Geschenk.
Ich finde es toll, dass du mit eurer Geschichte an die Öffentlichkeit gehst. Denn, wie du schreibst, man kann ja nicht nur rumsitzen und nichts tun und warten, dass ein Spender gefunden wird. Dein Mann hat das Multiple Myelom und es ist nicht heilbar. Du weißt, dass er sterben wird. Alles, was ihr euch wünscht ist Zeit. Wie sehen die Prognosen aus, wenn über die DKMS ein Stammzellenspender für deinen Man gefunden wird? 
Das kommt auf den Behandlungserfolg davor an. Momentan durchläuft mein Mann vier Chemozyklen. Im März kommt die erste Hochdosis-Chemotherapie mit Eigen-Stammzellenspende. Dadurch wird gehofft so viele Krebszellen, wie irgend möglich zu vernichten. Etwa 2-3 Monate später folgt dann evtl. die Hochdosischemotherapie, folgend die Stammzellentransplantation mit Fremdzellen – aber genau dafür brauchen wir noch die richtigen Spenderstammzellen.
Denn das erhöht die Chance weitere Krebszellen zu zerstören. Diese Tandemtransplantation ist aktuell das Behandlungsverfahren, welches uns die meiste Zeit versprechen soll. Das Multiple Myelom wird nicht verschwunden sein, aber hoffentlich bis unter die Nachweisgrenze rutschen. Das verschafft uns im Optimalfall einige Zeit um eine Familie zu sein. Wie lange das sein wird, wissen wir nicht. Es können 2-4 Jahre sein, vielleicht auch mehr. Dann vermehren sich die Krebszellen wieder und die Behandlung beginnt evtl. von vorn oder er beginnt eine Erhaltungstherapie.
2012 hieß es, dass das Gesamtüberleben mit Stammzellentransplantationen zwischen 5-15 Jahren liegen könnte. 5Jahre sind vergangen, mein Mann liegt immer noch jeden Morgen neben mir und wir hoffen inständig dass das durch den Stammzellenspender auch noch viele weitere Jahre dazu kommen. Wissen tun wir es nicht.
Wir hoffen auf die Forschung, hoffen darauf, dass wir noch mehr Menschen finden, die sich bei der DKMS als Spender registrieren und auf die Zeit, die uns ein Stammzellenspender schenken kann, damit die Forschung endlich Medikamente oder Verfahren entwickelt, die zur Heilung führen.
Ist das nicht der Fall, so können wir aber noch Zeit als Familie verbringen, Geburtstage feiern, in den Urlaub fahren oder uns über unnötige Dinge streiten. Wir können einfach wieder eine Zeit lang die normale, langweilige Familie vom Rande der Hauptstadt sein. Das wäre toll. Ich bin dankbar dafür, dass wir diese Zeit haben könnten. Anderen bleibt es verwehrt, aber wir; wir hätten dieses Privileg.
Du schreibst von deinen Kindern, die lachen, springen und singen. Und du schreibst auch, dass du es dir nicht leisten kannst, verbittert zu sein. Bist du manchmal wütend? 
Oft sogar. Ich bin wütend auf alles, auf das Myelom, auf das, was es mit meinem Familienleben macht, ich bin wütend darüber dass unser Urlaub erneut nicht stattfindet, ich bin wütend auf die Macht dieser Krankheit. Und es macht mich wütend, dass ich/wir in ein Leben gedrängt werden, was wir so niemals haben wollten.
Aber ich versuche meine Wut zu reduzieren, weil sie kontraproduktiv ist. Sie hilft weder mir noch sonst Jemandem. Ich war auch wütend auf meinem Mann, obwohl er gar nichts für unsere familiäre Situation beigetragen hat, nicht er, es war der Krebs. Wütend war ich trotzdem. Ich versuche mir im Moment immer bewusst zu machen, dass Niemand an meiner Wut Schuld hat. Es liegt an mir, was ich mit erlebten mache. Die Verantwortung für meine Gefühle trage nur ich. Wut entwickelt sich bei mir oft aus einem anderen Gefühl. Oft wird Trauer oder Angst zu Wut.
Wenn gar nichts klappt und ich so wütend bin, dass ich keine Luft zum Atmen mehr habe höre ich laut Musik. Daher habe ich in letzter Zeit Abends oft meine Kopfhörer auf. Oder ich gehe, wenn es die Situation zulässt, mit den Hunden raus, stelle mich mitten auf das Feld und schreie.

 

Wie lebt ihr euren Alltag? 
Eigentlich kaum anders als vorher. Jeder in unserer Familie hat seine Aufgaben, auch wenn sich diese etwas verschoben haben. Mein Mann arbeitet nicht mehr, die Chemotherapietermine stehen zusätzlich im Familienplaner und wir achtet vermehrt auf Hygiene. Auch wenn mein Mann im März ins Krankenhaus gehen wird, wird jeder seine Aufgaben haben. Seine wird es sein, die Therapie gut durchzustehen. Wir, meine Kinder und ich halten ihm dafür den Rücken frei, so dass er sich um nichts Gedanken oder Sorgen machen muss. Ich werde bis dahin meine wöchentlichen Arbeitsstunden reduzieren um die Betreuung der Kinder abzudecken. Bisher haben wir uns das geteilt, ich bringe Sie in die Kita/ Schule, er holt sie ab. Das klappt mit einer 40 Stunden Woche und einem kranken Papa nicht mehr. Nach dem Klinikaufenthalt werde ich noch einmal mehr auf Sauberkeit und Keimarmut im Haus achten müssen; wir erhöhen unseren Putzintervall. Die Freizeittermine der Kinder werden auch neu geplant. Aber das ist erst ab März. Momentan ist mein Mann zuhause, er spielt mit den Kindern, er liest Ihnen vor oder lernt mit meiner Tochter für die Schule. Er versucht auch hin und wieder am Wochenende zu kochen. An den Chemotherapietagen ist er müder und abgeschlagener als sonst und benötigt hin und wieder etwas Ruhe. Unser Alltag hat sich in der Aufgabenteilung etwas verschoben, aber wir halten ihn so alltäglich wie es irgendwie geht.
Wir freuen uns über die kleinen Dinge; über das erste Diktat unserer Tochter und über ihren neuen wackelzahn; wir freuen uns über  jedes neue Redewendung die unser Sohn, wie aus dem Nichts aus seinem Mund spricht und darüber wie sehr seine Augen leuchten wenn es geschneit hat. Wir freuen uns über den leckeren Kaffee am Morgen und darüber dass die S-Bahn heut trotz Schnee gefahren ist.

Denkst du manchmal darüber nach, dass du vielleicht irgendwann alleinerziehend sein könntest? Lässt du diesen Gedanken zu? 
Daran denke ich häufig, weil es vermutlich auch so kommen wird. Ich weiß nicht wann und das ist auch besser so. Auch verdränge ich den Gedanken nicht, da ich vorbereitet sein möchte. Ich stelle es mir deutlich schwieriger vor, wenn mein Mann ein Unfall hätte und sofort nicht mehr da wäre. Aber so ist es nicht. Wir haben Zeit, die wir nutzen können. Niemand hat je gesagt, dass das Leben einfach wäre. Genauso kann uns Niemand sagen, wie lange wir unseren Papa noch bei uns haben. Eine Stammzellentransplantation mit Fremdspender verlängert diese Zeit, aber auch diese wird vorbei gehen. Ich weiß das und verleugne es nicht.
Mir ist bewusst, dass das nicht einfach wird aber noch ist mein Mann da, Morgen wird er es auch sein und Übermorgen auch. Es ist beängstigend, aber es lähmt mich nicht. Der Gedanke, dass ich die bin, die übrig bleibt schmerzt. Aber wenn es irgendwann so weit ist, ihm nicht mehr geholfen werden kann wird er Schmerzen haben, es wird ihm nicht gut gehen. Ich möchte nicht, dass er so leben muss, ich möchte nicht, dass der Papa meiner Kinder ein schlechtes Gewissen haben muss wenn er nicht mehr kämpfen kann.
Wenn es soweit ist, dann lasse ich ihn gehen. Ich bin mir sicher, dass es in diesem Moment das einzig Richtige für ihn ist.
Ich lebe mit dem Bewusstsein, dass dieser Tag kommen wird. Aber dieser Tag ist nicht Heute, Morgen oder Übermorgen. Das ist das, was zählt.​

Wie können wir alle euch helfen? 
Lasst euch typisieren, falls ihr nicht als Spender in Frage kommt oder gar nicht spenden wollt; es gibt andere Möglichkeiten die DKMS zu unterstützen. Jeder Euro, Jedes Mitwirken an der Öffentlichkeitsarbeit, jedes Gespräch zahlt sich aus. Macht aufmerksam auf Uns als „Symbol“ für viele andere betroffene Patienten. Etwa alle 15 Minuten bekommt jemand die Diagnose Blutkrebs, die bisher registrierten Stammzellspender decken nicht einmal die Hälfte von Ihnen ab. Teilt meine Facebookseite, unseren Blog, macht das Thema sichtbar.
Ich weiß nicht, wie es für uns weitergehen wird, ich weiß auch nicht ob wir unseren Stammzellenhelden finden. Aber vielleicht findet dafür ein anderer Patient Seinen. Mein Mann ist nur Einer von Vielen.
Wir wünschen uns nichts mehr als Zeit, Zeit für uns als Familie. Und wir hoffen auf die Forschung, dass es vielleicht irgendwann möglich ist diese Krankheit zu heilen oder wenigstens dauerhaft aufzuhalten. Das Multiple Myelom wird tödlich für meinen Mann enden, aber mit genug Zeit…wer weiß, wie schnell die Forschung sein wird. Und selbst dann, wenn die Zeit nicht reicht; wissen wir dass wir ein klein wenig zur Aufklärung über die DKMS, über Blutkrebs und über das Multiple Myelom beigetragen haben. Wir wünschen uns einfach mehr Anteilnahme an Registrierungsaktionen der DKMS, unabhängig davon um welchen Menschen es geht.

Liebe Ines, ich danke dir für deine Offenheit. Ich habe allergrößten Respekt vor dir und deiner Familie. Und wünsche mir zwei Dinge für euch: Gesundheit und, dass sich jetzt noch mehr Menschen bei der DKMS registrieren. 

Alle, die noch nicht registriert sind, können das hier online tun. Nach Eingabe eurer Daten bekommt ihr ein Set mit Stäbchen nach Hause geschickt. Sie sehen aus wie Wattestäbchen. Damit entnehmt ihr eine Probe aus eurem Mund und bringt das Paket dann wieder zur Post. Das war es dann auch schon.

JETZT BEI DER DKMS REGISTRIEREN —> DKMS.de

Weiterlesen auf dem Blog von Ines: cancer-is-an-asshole.blog

Nachtrag Herbst 2018: Ines Mann Simon verlor am 6. Juli 2018 den Kampf gegen den Krebs. Gemeinsam mit ihren beiden Kindern geht Ines nun ins Leben 2.0. 

Ich freue mich sehr für Ines, dass sie im Buch “Rock den Himmel mein Held” alles aufgeschrieben und mit Eden Books einen wunderbaren Verlag gefunden hat. “Rock den Himmel, mein Held” von Ines Gillmeister kann hier bestellt werden

ines gillmeister

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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Mir fehlen die Worte und das geht wohl vielen so. Hut ab vor dieser Familie und alles gute. 🍀 ihr schafft das!

    Antworten
  • Ines Schulz-Bücher
    9. Mai 2018 20:38

    Liebe Ines. Dein Blog und das Interview bewegen mich sehr. Ich wünsche euch, Kraft die gemeinsame Zeit zu genießen. Glück, Hoffnung und ein hilfreiches Umfeld. Sei weiter wütend und traurig, dass gehört dazu und genieße die OASEN der Seele, die du suchst und findest.
    Mein Mann hat Akute Myolische Leukämie ist frisch transplantiert und noch ist alles offen. Unsere Kinder sind schon erwachsen und er 60. Wie ungleich schwerer ist es für euch. Sei umarmt von deiner Namensvetterin Ines. DIe Hoffnung stirbt zueletzt.

    Antworten

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