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Von Beruf Mutter: Ein Gespräch mit der Kinderdorfmutter Barbara Wegener
Es gibt Berufe, vor denen ziehe ich meinen Hut. Dazu gehören Pfleger, Hebammen und Krankenschwestern, Sozialarbeiter und Seelsorger und Menschen wie Barbara Wegener. Barbara ist von Beruf Kinderdorfmutter. Sie arbeitet fünf Tage am Stück, Tag wie Nacht – und wohnt bei den Kindern.
Im Rahmen meiner Kooperation mit SOS-Kinderdorf durfte ich mit Barbara sprechen. Ich durfte ihr all die Fragen stellen, die mir auf der Seele brennen. Ob Mutter oder Kinderdorfmutter, Barbara Wegener sagt: “Die Sorgen bleiben die gleichen – ganz gleich, ob es die eigenen Kinder sind oder nicht.” Ein besonderer Einblick in wichtige Arbeit:
Barbara Wegener: Ich habe über meinen Sohn, der Erzieher im SOS-Kinderdorf Worpswede ist, das SOS-Kinderdorf kennengelernt. Dadurch habe ich erfahren, welche Schicksale die Kinder haben und wie wichtig es für sie ist, im SOS-Kinderdorf ein neues und geborgenes Zuhause zu finden. Bei meiner ehrenamtlichen Mitarbeit habe ich dann den Einrichtungsleiter Joachim Schuch kennengelernt, der mich gerne erst einmal als Mitarbeiterin gewinnen wollte. Da ich bis dato Fremdsprachenkorrespondentin war, habe ich eine dreijährige Ausbildung zur staatlich geprüften Heim- und Jugenderzieherin gemacht, und es war jede Mühe wert. Ich liebe meinen Beruf, mit dem ich die Chance bekomme Gutes zu tun. Als Mutter von zwei Söhnen waren Kinder schon immer ein großer Teil in meinem Leben und schon mit 12 Jahren hatte ich mit dem Babysitten angefangen. Die Betreuung von Kindern begleitet mich also mein Leben lang und durch die Arbeit im SOS-Kinderdorf Worpswede schließt sich nun der Kreis.Mit wie vielen Kindern leben Sie zusammen und wie alt sind diese?
Ich lebe mit vier Kindern in einer Kinderdorffamilie. Diese sind leibliche Geschwister im Alter von 7 (Zwillinge), 8 und 9 Jahren.
Haben die Kinder gemeinsame Schlafräume oder wie muss man sich das räumlich vorstellen?
Jedes Kind hat ein eigenes Kinderzimmer, was auch wichtig ist, damit sie sich auch zurückziehen können, wenn sie das brauchen. Die Kinder können dabei ihre Zimmer je nach Geschmack mitgestalten. Wir haben gerade wieder alle Wände gemeinsam neu gestrichen, da die Farbwünsche sich verändert haben ☺. Nun haben wir ein pinkfarbenes, ein grünes, ein lilafarbenes und ein blaues Kinderzimmer.
Ich arbeite fünf Tage und Nächte am Stück und wohne dabei im Haus. Dann habe ich zwei Tage frei und zwei Erzieherinnen übernehmen die Betreuung der Kinder. Ab 11 Uhr sind wir auch sonst immer zu zweit im Dienst, sodass sich Kinder und Erzieher bereits gut kennen.
Mein Tagesablauf sieht so aus, dass ich um 6 Uhr aufstehe, mich fertig mache und um 6.30 Uhr das erste Kind wecke. Ich helfe ihm beim Anziehen und Zähne putzen, dann wird der Rest der Rasselbande geweckt. Alle machen sich fertig für den Tag, wir frühstücken gemeinsam unser Müsli und dann bringe ich die Kinder zum Schulbus. Danach habe ich Zeit, um einzukaufen, zu waschen, zu kochen und mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Um 13 Uhr kommen die ersten Kinder wieder nach Hause, wir essen gemeinsam. Dann folgt eine Mittagspause und gegen 15 Uhr gibt es eine Runde Obst. Am Nachmittag geht es dann meistens raus, falls keine Arzttermine, Sportkurse oder Therapien anstehen. Bei uns in Worpswede gibt es ein tolles Außengelände und einen Spielplatz, auf dem die Kinder aus allen zwölf Häusern und mit Freunden aus der Nachbarschaft spielen. Es ist immer ein buntes Treiben auf unserem Dorfplatz. Ab 17.30 Uhr helfen wir den Kindern dabei, sich für den Abend fertig zu machen, sich zu waschen, zu duschen und essen dann gemeinsam das Abendessen. Nach dem Essen schauen wir zusammen eine Kinderserie oder lesen Geschichten. Ab 19:30 Uhr bringen wir dann die Kinder ins Bett, sprechen noch über den Tag und lassen ihn ausklingen.Nun leben im SOS-Kinderdorf nicht nur Waisenkinder, sondern vermutlich zunehmend Kinder, die aus schwierigen Familienverhältnissen kommen. Ist das so?
Richtig, es ist zum größten Teil so. Heutzutage wird oft von „Sozialwaisen“ gesprochen. Vernachlässigung, häusliche Gewalt, Missbrauch oder Erkrankungen der Eltern können mögliche Ursachen sein, warum ein Kind nicht mehr zu Hause leben kann.Jedes Kind hat seine eigene Geschichte. Wenn sie nicht tragisch wäre, würde das Kind nicht im SOS-Kinderdorf leben. Inwieweit werden die Kinder psychologisch betreut? Ist das auch etwas, das Sie leisten?
Wir besprechen gemeinsam mit dem Fachdienst, den Bereichsleitern und dem Jugendamt, welche Therapien und Förderungen für das jeweilige Kind wichtig sind. Die meisten haben ihre eigene Geschichte und zum Teil auch Traumata, die sie verarbeiten müssen. Da ist eine ganz individuelle Betrachtung sehr wichtig. Wir haben ein Auge darauf, dass die Kinder die richtige Unterstützung bekommen und begleiten sie dabei. Die psychologische Betreuung findet aber durch Psychologen und Therapeuten statt.
Die Sorgen bleiben die gleichen – ganz gleich, ob es die eigenen Kinder sind oder nicht. Aber der große Vorteil bei SOS-Kinderdorf ist, dass ich die Verantwortung und Sorge mit meinen Kolleginnen und Kollegen teilen und vieles reflektieren kann.Ich stelle es mir wahnsinnig schwer vor, bei ihrem Beruf abzuschalten. Würden Sie sagen, Kinderdorfmutter ist eher eine Lebensaufgabe als ein Job?
Wenn ich hier bin ja, aber es ist trotzdem mein Job. Und wenn ich zwei Tage frei habe, versuche ich schon abzuschalten. Das ist auch wichtig, um auch mal wieder einen Blick von außen zu bekommen und seine eigenen Erledigungen machen zu können. Das Abschalten ist aber nur möglich, weil ich so ein tolles Team habe, auf das ich mich hundertprozentig verlassen kann. Ich genieße auch etwas Zeit für mich zu haben, aber ich freue mich danach immer, wenn ich die Kinder wiedersehe.Liebe und körperliche Nähe sind essentiell zwischen Mutter und Kind. Empfinden Sie Liebe für die Kinder, die eigentlich ihr Beruf sind?
Ich habe die Kinder wirklich ins Herz geschlossen und habe sie sehr lieb, aber es ist dennoch wichtig, dass es immer professionell bleibt und es ein Beruf ist – viel mehr eine Berufung ☺.Ich könnte mir vorstellen, dass die Kinder auch viel Halt durch die Gemeinschaft erfahren. Im Grunde ist es ja so, als würde man mit vielen Geschwistern aufwachsen – mit allem, was dazu gehört: Nähe, Spaß, Freude, aber auch Streit und Neid. Kommt das Leben im Kinderdorf dem echten Familienleben nahe und gibt es Dinge, die gänzlich anders sind?
Bei mir im Haus leben vier leibliche Geschwister, wir führen ein Familienleben. Das ist ein großes Alleinstellungsmerkmal von SOS-Kinderdorf, dass Geschwister möglichst zusammen bleiben können. Dieser Rahmen gibt den Kindern unglaublich viel Sicherheit und Freude, aber es ist auch wichtig, den Austausch mit Kindern aus der Gegend, die nicht im SOS-Kinderdorf leben, zu fördern. So besuchen sich die Kinder gegenseitig.Wie viele Jahre also bis zu welchem Alter begleiten Sie die Kinder in der Regel?
Eigentlich bis zur Volljährigkeit – aber SOS-Kinderdorf lässt die Kinder bzw. dann Jugendlichen nicht fallen, nur weil sie 18 Jahre alt werden. Nach dem Wohnen in einer Kinderdorffamilie oder Wohngruppe können die Jugendlichen ab einem Alter von ca. 15/16 Jahren in eine Jugendwohngruppe ziehen, wenn sie dies möchten, oder in das Angebot „Verselbständigungswohnen“ wechseln. Dort leben sie in einem kleinen Appartement oder einer WG und kochen, waschen etc. für sich selbst und werden noch stundenweise von pädagogischen Fachkräften betreut. Der enge Kontakt zur Kinderdorffamilie und den Geschwistern im Haus bleibt in vielen Fällen ein Leben lang bestehen.
Gibt es Aufgaben, die leibliche Eltern in der Regel übernehmen und die Sie als Kinderdorfmutter nicht leisten können oder vielleicht sogar gar nicht wollen?
Jedes Kind und jede Geschichte ist anders, daher kann man es nicht pauschalisieren. Grundsätzlich gibt es keine Aufgaben, die wir nicht übernehmen. Die meisten Kinder haben noch Kontakt zu ihren Eltern und wir unterstützen das durch professionelle Arbeit mit den Eltern und auch, dass Erziehungsaufgaben wieder übernommen werden können. Das hängt aber ganz stark von den Kindern, den Eltern und der Geschichte ab. Das Wohl des Kindes steht immer an erster Stelle.
Entwickelt man manchmal Groll gegen die leiblichen Eltern, wenn man sieht, wie stark sie ihre Kinder vernachlässigt haben?
Kann ich von mir nicht sagen, aber das gibt es sicher auch, weil man ja weiß, was die Eltern ihren Kindern angetan haben.
Besuchen die leiblichen Eltern ihre Kinder im Kinderdorf?
Ja, je nach Geschichte und Auflagen. Es gibt aber auch Fälle, da gibt es aus Kindesschutzgründen keinen Kontakt.
Was ist die größte Herausforderung in der Arbeit mit vernachlässigten Kindern?
Wichtig ist, viel Verständnis aufzubringen und versuchen ihnen zu zeigen, was Sicherheit, Zuverlässigkeit und Vertrauen bewirken können. Strukturen im Alltag spielen dabei eine sehr wichtige Rolle.
SOS-Kinderdorf finanziert sich zu einem großen Teil durch Spenden. Wie und wo können wir helfen?
SOS-Kinderdorf bekommt für die Unterbringung in Kinderdorffamilien und Wohngruppen staatliche Gelder vom Jugendamt. Somit ist für den Grundbedarf wie Unterbringung, Essen, Trinken und Kleidung gesorgt. Für das, was darüber hinausgeht, wie spezielle Therapien, Logopädie, Förderung, Sportangebote, Freizeiten etc. benötigen wir die Unterstützung von Spendern. Zudem hat SOS-Kinderdorf sehr viele präventive offene Angebote wie Familienberatungsstellen, Frühberatung für Schwangere, Integrationsarbeit, Schulsozialarbeit – diese Angebote sind fast gar nicht vom Staat refinanziert, darum wird hier dringend Unterstützung benötigt. Wir nehmen auch gerne Sachspenden an, wenn diese zu uns gebracht werden.
Ich glaube, es gibt kaum eine Arbeit, einen Beruf, indem man so stolz wie Sie sein kann. Haben Sie das auch? Das Gefühl, „toll, was wir erreichen konnten“?
Stolz bin ich, wenn ich sehe, wie sich die Kinder in den letzten 4-5 Jahren entwickelt haben. Mich erfüllt das Gefühl, dass ich ein kleines Rädchen von vielen bin, das dazu beitragen kann, dass es den Kindern hier gut geht. Wenn ich sehe, wie sie inzwischen gemeinsam spielen können, sie gemeinsam mit uns kochen, sie so viel Neues lernen, das ist toll. Und mich macht stolz, dass meine beiden eigenen Jungs hier ebenfalls als Erzieher arbeiten und sich ebenfalls sehr für die Kinder einsetzen. Da habe ich doch etwas richtig gemacht, denk ich.
Vielen Dank für diesen besonderen Einblick, Frau Wegener!
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Das ist eine wunderbare Mutter. Mit ihrer Hilfe bekommen diese kleinen, benachteiligten Kinder eine Chance auf ein gutes Leben.
Hochachtung!
Sehe ich auch so :))) Toll, dass es Frauen wie Barbara Wegener gibt!
Meinen höchsten Respekt vor dieser Frau! Ich würde mit wünschen, dass unsere derzeitige Kanzlerin mit dem gleichen Mut voranginge wie in der Flüchtingspolitik.Mit dem Mut Pflegern, Erziehern etc. ein angemessen Gehalt zu zahlen und diese Art von Beruf zu würdigen. Kinder sind unser höchstes Gut und wir müssen es beschützen.
Ich bewundere solche Menschen! Es ist einfach nur wohltuend und erfüllt mich mit Dankbarkeit, zu wissen, dass es solche Menschen auf der Welt gibt, die diese wichtigen Aufgaben übernehmen.
Sie verdienen unser aller Hochachtung!
Dem ist nichts hinzuzufügen …