“Die tiefe Dankbarkeit, dass meine Tochter lebt, wird mich mein Leben lang begleiten”

Plötzlicher Kindstod: Als frischgebackene Mama hat mich diese Angst jede Nacht begleitet. Ich war überängstlich, wachte nachts mehrmals auf, um nachzusehen, ob bei meinem Baby alles in Ordnung ist. Mama Daniela hat diese Situation erlebt. Sie entdeckte ihr Mädchen, ihr kleines Baby, als es plötzlich Atemnot hatte. Danielas Mädchen geht es heute gut. Doch für sie, das Kind und die Familie war die Zeit am Überwachungsmonitor eine Belastungsprobe, die alles verändert hat. Ein Gastbeitrag:
​”Es geschah an einem Junitag. Ein Tag, welcher schöner nicht hätte sein können. Es war warm, aber nicht zu heiß. Perfekt also, um mit einem Vierjährigen und seiner gerade einmal fünf Wochen alten Schwester einen Ausflug zu machen. Wir waren in Mannheim am Wasserturm picknicken und danach Eis essen. Noch heute kann ich mich an diesen Tag erinnern, als sei es gestern gewesen …
An die Mutter mit ihrer erwachsenen Tochter, die sich beim Anblick meiner Tochter erfreute.
An meinen Sohn, der nun stolz als großer Bruder sein Eis verspeiste.
Und an den Besuch im Spielwarenladen mit den Käthe Kruse Püppchen, welche im Nachhinein das Leben meiner Tochter mit retten sollten …
Wieder zuhause ließen wir den Tag ausklingen, der Große ging schlafen und mir schwirrten immer wieder die schönen Püppchen im Kopf herum. Also fing ich an zu nähen und hörte nicht mehr auf. Schön wie eines dieser Püppchen sollte das unsere werden und meine Tochter schlief seelenruhig neben mir ein.

Nachts gegen 1.30 Uhr entschied ich mich schlafen zu gehen, nahm mein Töchterchen auf den Arm und noch auf dem Weg ins Schlafzimmer bemerkte ich, dass sie nicht atmen konnte. Erst dachte ich daran, dass ich sie erschreckt haben musste, doch das änderte sich schnell. Die Gesichtsfarbe meiner Tochter veränderte sich drastisch. Sie wurde ganz violett und war dennoch fahl. Ich rief nach meinem Mann und an alles weitere erinnere ich mich nur noch „wie durch eine Wolke“.
Wir riefen den Krankenwagen und die Dame am Telefon versuchte, mich zu beruhigen.
Nachdem ihr Rat „Nase frei machen“ nicht half, nahm ich sie auf meinen Schoß, legte sie über meine Knie und steckte ihr meinen kleinen Finger in den Rachen. Sie erbrach Schleim, ich schlug sanft auf ihren Rücken und sie atmete. Mein Mann nahm sie und wir gingen in den Garten an die frische Luft. Erst geschlagene 30 Minuten später kam der Krankenwagen!
30 Minuten verzweifeltes Warten, denn er fuhr in die Nachbarstadt mit derselben Anschrift. Ich bin bis heute wütend darüber!

Wie ein Stein, der sanft ins Wasser gleitet

Im Krankenhaus wurden wir sofort liebevoll behandelt. Meine Tochter kam an eine Überwachung und wir blieben stationär, bis die Sauerstoffsättigung wieder in Ordnung war. Der Oberarzt sagte uns damals, wäre ich nicht wach gewesen, hätte meine Tochter am nächsten Morgen tot im Bettchen gelegen. Das geht in diesem Alter schnell und es stimmte, meine Tochter gab bei alldem, was geschah, keinen Ton von sich. Konnte sie ja auch nicht und dieses „nach Luft kämpfen“ war so leise. Fast tonlos.
Dies ging mir lange nach. Dass man es nicht hören konnte. Wie ein Stein, der sanft ins Wasser gleitet. So schwer und doch nicht zu bemerken.

Das Monitoring

Insgesamt zwei Krankenhausaufenthalte und monatelanges Überwachen am Monitor folgten. Diese Zeit war für uns als Familie sehr kräftezehrend. Alle Eltern, deren Kind an einem Monitor schlafen und oft auch leben muss, können dies nachvollziehen. Meine Tochter war voller Schläuche am Brustkorb und am Beinchen. Der Brustkorb war oft wund gescheuert und wir wussten schon nicht mehr, wo wir die Elektroden noch hin kleben sollten. Auch lösten ihre Bewegung oft Fehlalarme aus, denn sie wurde immer agiler.
Jegliche Fehlalarme – gerade in der Nacht – gehörten zu den Momenten, welche uns körperlich und seelisch auslaugten, denn jedes Mal musste man in Alarmbereitschaft sein. Jedes mal war im Ertönen des schrillen Geräusches nicht klar, ob dies nun der Moment war, an dem ich oder mein Mann unsere Tochter wiederbeleben müssen.

Insgesamt wurde unsere Tochter ein gutes halbes Jahr am Monitor beobachtet, bis wir uns mit dem Kinderarzt gemeinsam entschieden, den Weg nun ohne Überwachung weiter zu gehen. Meine Tochter litt zunehmend unter den Elektroden und auch wir wurden durch die Müdigkeit eine größere Gefahr für sie, als die eigentliche Bedrohung der Atemaussetzer.
Die Sättigung war zu diesem Zeitpunkt regelmäßig ohne Befund, dafür konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Autofahren wurde zur Gefahr und ich steckte aus Müdigkeit mehrmals fast unser Haus in Brand, da ich Handtücher auf die heiße Herdplatte legte oder schlichtweg das kochende Essen vergaß und im Wohnzimmer eingeschlafen war.

Bis zum heutigen Zeitpunkt können uns die Ärzte nicht sagen, was die genaue Ursache war. Es wird vermutet, dass sie einen Infekt in sich trug, der nie ganz zum Ausbruch gekommen ist, aber die Atemwege verschleimte. Dafür sprach Ihr Blutbild … Danach kam es nie mehr zu solch einem Ausfall. Als gläubige Christin bin ich sicher, dass Gott das Leben meiner Tochter wie durch ein Wunder bewahrt hat.

„Der plötzliche Kindstod kommt leise in der Nacht“. Wie oft hört man diese Warnung! Aber ich hätte in meiner Unbedarftheit nie gedacht, dass es uns treffen könnte. Dieses „sorglos sein“ hatte ich in dieser einen Nacht verloren.

Bis zum heutigen Tag ist das Leben für mich keine Selbstverständlichkeit mehr.
Ich denke, dass ich gerade aus diesem Grund meine Tochter so gerne verwöhne und mit Ihr viele Dinge bewusst erlebe.
Gemeinsames Reiten, Spielen, Schmusen, voller Freude ihren Ballettaufführungen beiwohnen.
All dies ist nicht selbstverständlich.
Wir haben ein sehr enge Symbiose entwickelt und können zusammen Pferde stehlen.
Die tiefe Dankbarkeit, dass meine Tochter lebt, wird mich mein ganzes Leben lang begleiten.
Mein Mann und ich  haben ihr von dieser Zeit erzählt und ich denke, dass sie schon in Ihren jungen Jahren begreift, wie kostbar das Leben ist.
Sie trägt eine große Lebensfreude in sich und steckt damit Ihr ganzes Umfeld an.
Sie ist unser Sonnenschein, unser Segen.

Die Zeit danach

Ein Jahr später wurde ich erneut Mutter und obgleich uns große Sorgen in den ersten Monaten begleitet haben, hat sich nie wieder eine solche Situation ereignet. Weder bei meiner Tochter noch bei meinem Sohn. Allerdings schliefen sowohl er als auch meine Tochter weiterhin auf einer Sensormatte aus dem Babyfachmarkt. Dies gab uns Sicherheit, bis das jeweilige erste Lebensjahr abgeschlossen war.

Ich werde niemals die Nächte vergessen, in denen ich wach lag, durch das Gitterbett meine Hand auf den Brustkorb meiner Tochter legte und beruhigt feststellte, dass sie atmet.
Die Nächte, in denen ich die Hand meines Mannes nahm, der mir nun noch vertrauter durch das gemeinsam Erlebte war und mit der anderen Hand das kleine Händchen meiner Tochter berührte und beruhigt weiter schlief, aber nicht zu tief um die wohltuende Wärme des zarten Atmens an meinen Fingern zu spüren.”

Nachtrag:
Ich, Daniela möchte diesen Beitrag Julia widmen, weil sie noch mitten in dieser schwierigen Zeit steckt.

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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Liebe Daniela! Du bist eine starke Mama!!

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    • Liebe Anna, danke für Deine Worte. Gerade zu dieser Zeit hatte ich mich so gar nicht stark gefühlt. Eher hilflos💕

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  • Ich habe dasselbe erlebt meinen Sohn noch im Krankenhaus lila im.Bett gefunden…Intensivstation und Monitor folgten.Gründe wurden nur gefunden Wir haben ein gesundes 8jähriges Kind…aber noch Jahre später hat mich die Angst verfolgt….

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  • Liebe Anne, danke für das Teilen Deines Erlebten. Dieser Moment brennt sich in das Herz ein. Der Anblick an das klwine atemlose Gesicht verblasst nie ganz. Aber die Dankbarkeit rechtzeitig da gewesen zu sein wird uns auch ein Leben lang begleiten.Ja, und unsere Juwelen, mit denen wir so viel Schönes erleben dürfen sind jeden Tag da. Und wenn sie groß sind gibt Ihnen vielleicht gerade unser Bericht über dieses Erlebnis ein Urvertrauen ins Leben.💕

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  • Liebe Daniela, ich bin in Gedanken bei Dir. Ich weiß, wie schrecklich das ist. Wir haben auch sehr viel Glück im Unglück gehabt. Es ist tagsüber passiert, beim Kinderarzt. Dennoch musste unsere Kleine 40 Minuten reanimiert werden. Aber sie ist stark und sie lebt – zwar mit Monitor und der Ungewissheit, wie groß der Schaden durch den Sauerstoffmangel in ihrem Gehirn ist und ob dieser durch Therapien ausgeglichen werden kann – aber sie lebt. Das ist die Hauptsache.

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